Dies ist ausnahmsweise mal kein Beitrag übers Schreiben. Okay – fast. Denn während ich diesen Text tippe, sitze ich an mehreren Projekten gleichzeitig: Ich stecke gerade mitten in der Überarbeitung eines Young Adult Romantasy-Romans, dessen Rechte ich kürzlich zurückbekommen habe. Im Juli wird er neu erscheinen – gründlich überarbeitet, mit frischem Satz und einem Hammer-Cover, das ich euch ganz bald zeige (Instagram-Cover-Flashmob: Freitag!). Parallel dazu wächst im Hintergrund der Plot für den zweiten Teil meiner noch geheimen Fantasy-Trilogie, die ich Stück für Stück aufbaue. Aber heute geht’s nicht um Magie, Schlüssel oder Kapitel 27. Heute geht es um das, was diesen Teil des Jahres hier besonders macht. Um Zikaden, Tornadowarnungen, drei Monaten Sommerferien - und das Gefühl, dass der Frühling einfach übersprungen wird. Um Tage, die sich anfühlen, als würde die Luft kleben und um Nächte, in denen plötzlich Waschbären – oder Skunks - auf der Terrasse Partys feiern. Sommerstart, Pools und das große Draußen ![]() Seit ich 1999 nach Michigan gezogen bin, habe ich keinen kompletten Sommer mehr in Deutschland verbracht. Natürlich erinnere ich mich noch an die Freibäder, an Pommes rot-weiß und sonnenwarme Kopfsteinpflaster, aber mein Sommer – der, den ich heute lebe – spielt sich hier ab. In Michigan. Der Sommer in Michigan beginnt inoffiziell Ende May mit Memorial Day und endet genauso inoffiziell Anfang September mit Labor Day – oder, wenn man einen Hund hat, mit dem Tag, an dem man ihn abends lieber nicht mehr allein in den Garten lässt. Denn dann sind sie zurück: Skunks, Raccoons und Opossums. Charmant. Nachtaktiv. Und völlig desinteressiert an den Regeln eines (mehr oder weniger) gepflegten Vorstadtgartens – oder an einem Vierbeiner mit ausgeprägtem Jagdinstinkt und sehr selektivem Gehorsam. ![]() Gefühlt hat hier jede zweite Familie einen Pool – bei uns dauerbeansprucht von Sunny, der jedes Gewässer für sein persönliches Biotop hält. Und weil er ungern allein draußen planscht, folgen wir ihm meistens freiwillig. Und so verlagert sich - zumindest bei uns Grecos - das Leben im Sommer, wann immer es geht, komplett nach draußen: auf die Terrasse, in Parks, an die Seen. In den State Parks gibt es hier übrigens überall praktische Picknicktische, Grills, kleine Strände, Bootsverleihe. Überhaupt scheint Picknicken hier fest in der DNA eines Michiganders verankert zu sein - mit Kühlbox, Burgern, Hot Dogs, Chips in Familiengröße und mindestens einer selbstgemachten Limonade im Gepäck. Mücken, Seen und andere Sommerwahrheiten ![]() Manchmal erinnere ich mich noch an deutsche Freibäder – Chlor, Badekappenpflicht, Schwimmabzeichen zum Aufnähen, und die nassen Umkleiden, in denen nie genug Haken für Handtücher waren. Hier gibt es stattdessen: Natur. Seen. Und Mücken. Das Erste, was man im Michigan-Sommer lernt? Mücken sind keine Kleinigkeit. Und sie kommen immer im Rudel. Sie lieben die schwüle Hitze genauso wie offene Fenster, nackte Knöchel und Menschen, die sich zu früh über einen gemütlichen Sommerabend freuen. Und sie übertragen fiese Krankheiten – zumindest an die vierbeinigen Familienmitglieder. Fragt mal Sunny. Herzwurm ist real. Und trotzdem sind die Sommer an den Seen wunderschön. Wenn dann abends das Summen der Zikaden einsetzt – wie das leise Vibrieren eines Strommasts irgendwo in der Ferne – weiß ich, dass ich genau hier bin, wo ich gerade sein soll: im Sommer in Michigan. Wenn der Sommer nach Rauch und Schokolade riecht ![]() Und wo wir gerade bei gemütlichen Sommerabenden sind: Ein Sommerabend in Michigan riecht nicht nach Würstchen und Kräuterbutter, sondern nach Lagerfeuer, Maiskolben, Burgern – und S’mores. Diese klebrig-süße Kombination aus Marshmallows, Schokolade und Graham Crackers wird traditionell am Lagerfeuer zubereitet und sieht am Ende meistens genauso aus, wie man es sich vorstellt – eine Sauerei mit Ansage. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich mich mit diesem „Dessert“ angefreundet habe – und heute gibt’s bei uns manchmal sogar Indoor-S’mores. Frisch aus der Mikrowelle, wenn die Mücken draußen mal wieder zu aufdringlich sind. Und trotzdem: Ich vermisse Johannisbeeren. Stachelbeeren. Kaltschale. Und von einem richtig kalten deutschen Bier will ich gar nicht erst anfangen. Himmelblau & Gartenglück ![]() Das Erste, was mir hier damals im Sommer aufgefallen ist, war der Himmel. Dieses intensive, klare Dunkelblau, das man in Deutschland so nicht kennt. Im Sommer wirkt er noch größer. Noch lauter. Noch mehr. Und ich glaube, genau das ist es, was ich heute am stärksten mit dem Sommer in Michigan verbinde: Freiheit. Auch wenn die Sommer hier heißer und schwüler sind, die Luftfeuchtigkeit gnadenlos ist und der Frühling oft einfach ausfällt – ich möchte trotzdem nirgendwo anders sein. Nicht im Sommer. Über den Winter schreibe ich dann ein andermal. Und mein Garten macht ohnehin alles wett – sogar die endlosen, bitterkalten Monate. Ich liebe meinen kleinen Gemüse- und Kräutergarten: voller Tomaten, Zucchini, Mangold und unzähliger Kräuter. Und wenn ich morgens feststelle, dass aus der kleinen Zucchini über Nacht ein Baseballschläger geworden ist, gibt es „Zucchini Bread“ – morgens, mittags, abends. Wobei: In Deutschland würde man es wohl eher als Rührkuchen bezeichnen. (Mein halbwegs gesundes Lieblingsrezept folgt weiter unten.) Wenn der Himmel grün wird ![]() Was man in Michigan im Sommer auch kennenlernt: Unwetter. Keine dramatischen Hollywood-Stürme – aber reale, bedrohliche Naturgewalt. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Tornadowarnung. Wir sind mit Taschenlampe und Decken in den Keller gegangen, die Luft grünlich, der Himmel unheimlich still. Ich hatte wirklich Angst. Heute ist das fast Routine. Sobald das Handy losheult, läuft alles automatisch ab: Fenster zu, Handy laden, Sunny an die Leine, ab nach unten. Meist passiert nichts. Manchmal kracht es ordentlich. Und oft endet das Ganze mit umgekippten Gartenstühlen und einem halb gefluteten Rasen. Sidenote: Bei einem Schulausflug mit meiner Jüngsten vor ein paar Jahren hat uns ein Tornado mitten auf dem Land überrascht. Wir landeten mit einer Gruppe leicht nervöser Erstklässler im Keller eines ausgesprochen gelassenen Farmers, der die Situation deutlich entspannter nahm als wir. Aber ja – wir haben die Funnelcloud tatsächlich gesehen. Nicht weit entfernt, deutlich erkennbar: ein schmaler, rotierender Trichter am Himmel – faszinierend und leicht beunruhigend. Seitdem weiß ich: Wenn das Handy piept und der Himmel grünlich wird, ist es definitiv Zeit, in den Keller zu gehen – und nicht erst, wenn der Trichter schon winkt. Garage Sales & Lemonade Stands – amerikanischer geht’s kaumIrgendwann zwischen Juni und August tauchen sie überall auf: handgemalte Schilder an Straßenecken, Pfeile auf Pappe, und dann – ein Vorgarten voller Möbel, Bücher, Deko, Geschirr und Klamotten. Man schlendert, stöbert, feilscht ein bisschen – und findet am Ende etwas, das man nie gesucht hat – aber jetzt behalten will. Und dann natürlich: die Lemonade Stands. Ich erinnere mich noch genau, wie meine Töchter zum ersten Mal einen veranstaltet haben. Mit aufgeregtem Kichern, handgemalten Schildern, Eiswürfeln in Plastikbechern und unbändigem Stolz, wenn jemand wirklich anhielt. Auch diese kleinen Dinge gehören hier zum Sommer. Und sie machen ihn besonders. Drei Monate Ferien, zehn Tage Urlaub![]() Ja, die Sommerferien … Fast drei Monate lang. Von Anfang Juni bis Labor Day. Die Kinder haben frei – die Eltern eher nicht. Was für ein Kulturschock, als Carlo damals genau zehn Urlaubstage im Jahr hatte. Zehn! Keine Betriebsferien, keine Brückentage, keine sechs Wochen Sommerpause. Heute sind es zum Glück mehr – Gott sei Dank. Trotzdem haben wir es bis heute nie geschafft, mal länger als zwei Wochen am Stück wegzufahren. Irgendwas ist immer - und ganz ehrlich? Manchmal will man das auch gar nicht. Lieber im Garten bleiben. Mit Sunny im Pool planschen. Die Füße ins Wasser hängen und so tun, als gäbe es keinen Kalender. Nur Sonne. Mücken. Und Zeit. Was mir manchmal fehlt: ein Eiscafé mit Sonnenschirm So sehr ich den Sommer hier liebe – es gibt da diese Kleinigkeit, die ich vermisse. Dieses ganz normale „Mal eben in die Stadt und ein Eis holen“-Gefühl. In Deutschland bedeutete das: Schuhe an, ab in die Innenstadt, Spaghettieis oder Stracciatella, ganz egal – Hauptsache draußen, Kopfsteinpflaster unter den Füßen, vielleicht noch ein kurzer Plausch mit jemandem, den man zufällig trifft. Hier, wo ich lebe, gibt es keine klassische Innenstadt. Kein Zentrum zum Durchbummeln. Kein Eiscafé mit buntem Sonnenschirm. Eis gibt’s im Drive-through oder in der Tiefkühltruhe. Im Becher. To go. Es ist nichts Weltbewegendes. Aber manchmal fehlt’s eben doch – genau wie Freibadpommes. Und Spontaneität ohne Parkplatzsuche. Zwischen Alltag und Dankbarkeit – mein Michigan-Sommer ![]() Manchmal ist der Sommer hier laut, grell und überwältigend. Manchmal tut er so, als wäre er gar nicht da. Nur Hitze. Und dieser seltsame, flirrende Stillstand vor dem nächsten Unwetter. Und manchmal, ganz manchmal, vergesse ich, dass er nicht selbstverständlich ist. Ich ernte Zucchini. Ich schreibe auf der Terrasse, bis mein Laptop überhitzt. Ich schwimme mit Sunny im Pool, wenn es zu heiß wird. Ich warte auf das nächste Gewitter – und lächle, wenn die Zikaden den Takt vorgeben. Der Sommer hier ist nicht besser als damals in Deutschland. Nicht schlechter. Er ist einfach: meiner. Er gehört zu einem Leben, das irgendwo zwischen Alltag und Abenteuer tanzt. Zwischen Routinen, die sich eingeschliffen haben – und Momenten, die sich wie Neuanfänge anfühlen. Und vor allem gehört er zu diesem Gefühl, das ich immer wieder in mir trage, wenn ich barfuß durchs Gras gehe und der Wind mir durchs Haar fährt: Freiheit. Das erste Kapitel aus „Willow – Und in mir dein Licht“ – dem Young Adult Fantasybuch, das ich gerade überarbeite – beginnt übrigens mit diesen Zeilen: „Freiheit! In diesem Moment schmeckte sie süßer als Moms Brownies, duftete intensiver als das sündhaft teure Parfum, das Jonah mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte. Sie klang besser als jede Zeile aus einem Nirvana-Song – und fühlte sich an wie der Sommerwind, der mir gerade durchs Haar fuhr: wild, lebendig, voller neuer Möglichkeiten.“ Mehr zum Buch – und zum neuen Cover – gibt’s ganz bald auf meinem Instagram-Kanal. Bis dahin: Sommerwind atmen. Zucchini ernten. Weiterschreiben. Mein Lieblingsrezept: Zucchinibrot für heiße Tage (Oder: ein richtig saftiger Rührkuchen)![]() Zutaten:
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Kirsten GrecoFantasyautorin aus Michigan. Schreibt Magie, trinkt Kaffee, löscht Plotbrände. ArchiveKategorien
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